2018: Michael Hammerschmid
Michael Hammerschmid
Schlaraffenbauch
Mit Bildern von Rotraut Susanne Berner.
Frankfurt am Main, Wien, Zürich 2018: Edition Büchergilde.
32 Seiten, 18,00 EUR.
ISBN 978-3-86406-092-2
Einer spannt den Bogen auf, beginnt mit „bitter weinst du“ und endet mit „was machen wir nun?“. Dazwischen findet eine feine Entwicklung statt, die der Beobachter wach registriert, vom Tränenstrom über das allmähliche Versiegen der Tränen, vom Überwältigtsein durch schwarze Gedanken über das Aufhellen des inneren Horizonts bis zur sanften Auflösung des Kummers. All das begleitet der Lyriker als Momentaufnahme, und das fragile Gleichgewicht zwischen dem Beobachter, dessen Worte zugleich beschreiben und trösten, und dem Bekümmerten setzt sich in vielen ähnlichen Konstellationen der 24 Gedichte dieses Bandes fort. Es sind Begegnungen, die zu Texten werden und solche wundervollen Zustandsbeschreibungen motivieren wie „ich muss viel / nichts tun, gut?“, die uns beschäftigen, weil sie sich nicht vollständig auflösen. Reime scheinen auf und verschwinden wieder, um wiederzukehren, wenn wir es nicht erwarten. Und so irrlichtern die Gedichte von Michael Hammerschmid in ihrer Form fröhlich zwischen den beiden Polen der Beckmesserei und der Willkür, ohne je einem von ihnen zu nahe zu kommen. Die Farbbilder von Rotraut Susanne Berner, die diese Gedichte in die von ihr herausgegebenen „Tollen Hefte“ aufgenommen hat, sind genauer Lektüre ebenso geschuldet wie dem Willen zur interpretatorischen Freiheit, zum Neuschaffen des Vorgefundenen. Entstanden ist ein funkelndes kleines Meisterwerk aus eigenem Recht.
Michael Hammerschmid, geboren 1972 in Salzburg, lebt als freier Autor und Vater zweier Töchter in Wien. Er unterrichtet an der Universität für Angewandte Kunst im Institut für Sprachkunst und an der Universität Wien im Bereich Germanistik, Schreiben, Poetik und Lyrik. Der Träger mehrerer Literaturpreise moderiert und kuratiert Lyrik-Festivals und beschäftigt sich unter anderem mit den Schnittpunkten von Literatur und Bildender Kunst.
Michael Hammerschmid,
Foto:
© Barbara Schwarcz
Die Vergabe des Preises wurde unterstützt von der Marktgemeinde Irsee, der Schwabenakademie Irsee, der Kulturstiftung Irsee, die das Preisgeld zur Verfügung stellte, von der Kurt und Felicitas Viermetz Stiftung Augsburg sowie von der Akademie Faber-Castell, die einen „perfekten“ Bleistift überreichte.
Die Preisvergabe fand am 16. November 2018 im Rahmen der Fachtagung „Eine neue Sicht auf das Kindergedicht“ in der Schwabenakademie Irsee statt, dem Lebensort des namensstiftenden Lyrikers Josef Guggenmos (1922 – 2003).
Die Jury für den JOSEF GUGGENMOS-PREIS FÜR KINDERLYRIK 2018
- Prof. Dr. Dr. Kurt Franz (Ehrenpräsident der Akademie)
- Dr. Claudia Maria Pecher (Präsidentin der Akademie)
- Arne Rautenberg (Lyriker, Preisträger 2016)
- Dr. Tilman Spreckelsen (Redakteur, FAZ)
- Ulrich Störiko-Blume (Vizepräsident der Akademie i. V.).
EMPFEHLUNGSLISTE 2018
Die Jury hat die Produktion deutschsprachiger Gedichtbände der Jahre 2017 und 2018 geprüft; es sind 64 Bücher und 103 unveröffentlichte Manuskripte eingereicht worden. Fünf besonders gelungene Bücher sind für die Empfehlungsliste ausgewählt worden.
Sonja Danowski (Text und Illustration)
Smon Smon
Zürich: NordSüd 2018.
44 Seiten, 20,00 EUR.
ISBN 978-3314-10415-2
Die archaische Welt, in welche uns die Künstlerin Sonja Danowski in ihrem Bilderbuch mitnimmt, reicht bis in die Sprache hinein: Das Smon Smon lebt auf dem Planeten Gon Gon. Dürre Sätze mit unbekannten Vokabeln begleiten die Odyssee des kleinen Smon Smon durch eine surreal-amorphe Sphäre. Selbst aus der schroffsten Einöde kann eine staunenswert friedliche Stimmung erblühen – wenn sie poetisiert wird. Manchmal braucht es eine ganz andere Welt, um die eigene besser verstehen zu können.
Uwe-Michael Gutzschhahn
Die Muße der Mäuse
Mit Zeichnungen von Manfred Schlüter.
Nettetal: Elif 2018.
80 Seiten, 16,00 EUR.
ISBN 978-3-946989-11-0
Die große Erfahrung des Übersetzers, Anthologisten und Lyrikers ist in diesem bibliophil ausgestatteten Büchlein durchgehend spürbar. Das beginnt in der Alliteration des Titels und setzt sich fort in der Übernahme von bewährten Rastern und Stilmitteln für das eigene Schaffen in den jeweils 15 Gedichten der drei Abteilungen, ob im Schlaflied, in der Verkehrten Welt oder im Märchen. In bester Guggenmos’scher Manier werden nicht nur Mäuse und Katzen poetisiert, auf einem ganzen Bestiarium fußt die Fabulierkunst des Autors, dessen geistreiche Kreativität die bekannte Welt in neue Bilder verwandelt. Sein hintergründiger Humor und sein sprachlicher Nonsens loten genau das aus, was Kinder brauchen und was ihnen gefällt. Mit der außergewöhnlichen Illustration, die durchgehend eine geographische Weltreise simuliert, und der vom Autor besprochenen beigelegten CD eine rundum gelungene Ausgabe mit Kindergedichten, die ebenso erwachsene Leser und Hörer begeistern wird.
Franz Hohler
Am liebsten aß der Hamster Hugo Spaghetti mit Tomatensugo
Mit Illustrationen von Kathrin Schärer.
München: Carl Hanser 2018.
64 Seiten, 14,00 EUR.
ISBN 978-3-446-26055-9
Reim dich oder ich fress dich – das sagt man, wenn einem Verse arg bemüht vorkommen. Bei Franz Hohlers Tiergedichten dagegen wundert sich niemand, wenn der Lämmergeier die falschen Eier ausbrütet. Unbebrütet sehen viele Eier gleich aus, unbearbeitet sehen viele Wörter gleich aus – aber in Reimform gebracht von einem Meister der Sprache, zeigen die Wörter, was alles in ihnen stecken kann. Ist das große Kunst? Bei Franz Hohler meint der große graue Wolf (er spielt gern Golf): „Mir egal – Spaß macht es allemal.“
Ted van Lieshout
Wo bleibt das Meer?
Aus dem Niederländischen von Rolf Erdorf.
Mit Illustrationen von Brigitte Püls.
München: Susanna Rieder 2017.
64 Seiten, 14,50 EUR.
ISBN 978-3-946100-08-9
Ein Kind ergreift die Hand seines Vaters, denn „ohne meine Hand ist mein Vater verloren“ – es sind Perspektivwechsel wie diese, in denen der Niederländer Ted van Lieshout sein Gespür für die Verquickung von poetischen Momenten und Melancholie beweist. Leise und in IchForm durchmessen die klar geschriebenen und von Rolf Erdorf fein übersetzten Gedichte in diesem Auswahlgedichtband ein großes Thema: den Abschied von der Kindheit. Was kommt nach der Geborgenheit? Und wer bin ich überhaupt? Da ist dieses Gefühl, auf der Schwelle zu sein und über sich hinaus zu wachsen. Nur wohin? Gut, dass es das Meer gibt, diesen Sehnsuchtsraum für den unverstellten Blick.
Angelika Overath
Corniglias – Alpendohlen
Poesias per tai – Gedichte für dich
Illustriert von Madlaina Janett.
Zürich: Schweizer Jugendschriftenwerk 2017.
32 Seiten, 8,00 EUR.
ISBN 978-3-7269-0093-9
Du bist deine Sprache. Kürzer kann man es kaum ausdrücken, und kurz sind auch die 14 Gedichte – zweisprachig auf Deutsch und Vallader, einer Variante des Rätoromanischen, das im schweizerischen Unterengadin noch heute gesprochen wird. Der Autorin, die Deutsch zur Muttersprache und Vallader erlernt hat, gelingt das Kunststück, abstrakt und konkret zugleich zu dichten: „Die Poesie ist kein braves Kind.“