Herbert Ossowski

geboren am 20. März 1928 in Guttstadt/Ostpreußen, gestorben am 6. Dezember 2010 in Münster
Studienseminarleiter in der Lehrerausbildung, Lehrbeauftragter für Kinder- und Jugendliteratur

Prof. Dr. Dr. Kurt Franz
veröffentlicht am 03.04.2022

 

1 Biogramm

Herbert Ossowski (Foto: Privat)

Herbert Ossowski (Foto: Privat)

Herbert Ossowski wurde am 20. März 1928 in Guttstadt/Ostpreußen (heute Dobre Miasto in Polen) geboren. Er war das zweite von fünf Kindern eines Sattlermeisters. Da er eine gute Schulbildung erhalten sollte, musste er nach der Volksschule als Fahrschüler das 27 Kilometer entfernte Gymnasium in Allenstein besuchen. Allerdings wurde seine Klasse 1944 nach Danzig verlegt, wo er und seine Mitschüler nach dem Unterricht als Flakhelfer Dienst leisten mussten. Noch 1945 musste er gegen die heranrückenden Russen an die Front, gelangte aber nach dem Ende des Kriegs über Schleswig nach Westdeutschland. In Detmold konnte er das Abitur nachholen und besuchte hier auch die Pädagogische Akademie, an der er 1951 das 1. Staatsexamen für das Lehramt an Volksschulen abschloss. Nachdem er mehrere Jahre als Junglehrer an einer Dorfschule in Westfalen unterrichtet hatte, übernahm er 1959 bei Paderborn die Stelle eines Schulleiters. An der Universität in Paderborn setzte er das Studium der Geschichte, Germanistik und katholischen Religionslehre fort.

Im Jahre 1962 wurde er Rektor einer Schule in Münster und schloss sein Studium ab. 1969 wurde ihm die Leitung eines Studienseminars für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen übertragen, zugleich wurde er in das Prüfungsamt an der Pädagogischen Hochschule Münster berufen. 1971 erhielt er hier einen Lehrauftrag für Kinder- und Jugendliteratur, später einen weiteren für Didaktik der deutschen Sprache an der Universität Münster. 1993 trat Herbert Ossowski in den Ruhestand. Am 6. Dezember 2010 ist er in Münster verstorben.

 

2 Werk

Während seiner Junglehrerzeit wurde Herbert Ossowski 1957 von Theodor Brüggemann, einem späteren Mitbegründer der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur, angeregt, im Jugendschriftenausschuss des „Katholischen Lehrerverbandes Deutschland“ (KLV) und an der Beilage zur Verbandszeitschrift „Der katholische Erzieher“ mitzuwirken. Das war für ihn ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu seiner künftigen intensiven Beschäftigung mit Kinder- und Jugendliteratur. Sehr schnell konnte er sich einarbeiten, weshalb er schon 1961 Referatsleiter „Kinder und Jugendliteratur“ im „Verband Bildung und Erziehung“ wurde und diesen zugleich im „Arbeitskreis für Jugendschrifttum“ (später: Jugendliteratur) in München, in der Stiftung Lesen in Mainz und im „Internationalen Büro katholischer Verbände“ in Brüssel vertreten konnte. Im gleichen Jahr wurde er in das unabhängige Redaktionsgremium berufen, das alljährlich die Neuerscheinungen für das von der „Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlegern“ und der „Vereinigten Jugendschriftenausschüsse“ (später: Arbeitsgemeinschaft für Jugendliteratur und Medien in der GEW) für den „Arbeitskreis für Jugendschrifttum“ herausgegebene Verzeichnis „Buch der Jugend“ auswählte. Diesem wichtigen Auswahlgremium gehörte Ossowski bis zur Einstellung der Katalogarbeit 1998 an, also 38 Jahre lang. Damit zählte er zu den ausgesprochenen Fachleuten in diesem Metier, denn immerhin mussten durchschnittlich jedes Jahr rund 500 Bücher geprüft werden.

Da war es nicht verwunderlich, dass Ossowski mit seinem Wissen und seiner Erfahrung ein gefragter Mann war. Von 1968 bis 1980 war er in der Hauptjury zum Deutschen Jugendbuchpreis (später: Deutscher Jugendliteraturpreis) zuerst als Vorsitzender der Sachbuchjury, dann sechs Jahre lang als Vorsitzender der Hauptjury tätig. Hier konnte er seine überragenden Fachkenntnisse voll einbringen und in seiner ausgleichenden Art alle Meinungsdiskrepanzen zu einem befriedigenden Ende bringen.

Im Jahre 1976 wurde die Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur e.V. Volkach ins Leben gerufen. Neben anderen kinder- und jugendbuchaffinen Männern wie Alfred Clemens Baumgärtner, Heinrich Pleticha, Otfried Preußler, Theodor Brüggemann gehörte auch Herbert Ossowski zu den Mitbegründern. Seitdem zählte er bis zu seinem Tod zu den aktivsten Mitgliedern der Akademie. Er war nicht nur mitverantwortlich für die Auswahl von „Buch des Monats“ und des „Großen Preises“ sowie für die Auswahl von Empfehlungslisten, sondern er wirkte immer wieder bei Tagungen und Seminaren als Organisator und Referent mit, was sich auch in der Herausgabe von Band 21 der Schriftenreihe widerspiegelt, den er zusammen mit Gudrun Schulz 1997 unter dem Titel Lernen als genussvolles Aneignen der KünsteEinblicke in die Didaktik der Kinderliteratur herausgab.

Herbert Ossowski hat zahlreiche Fachaufsätze und Lexikonbeiträge verfasst, die sowohl seine didaktischen Erfahrungen wie auch sein theoretisches Wissen widerspiegeln. Sie finden sich in verschiedenen Festschriften, Lexika und Fachzeitschriften wie Grundschule, Jugend und Literatur und nicht zuletzt auch in der Akademie-Zeitschrift Volkacher Bote. Allein für das Akademie-Lexikon Kinder- und Jugendliteratur hat er seit 1995 an die 30 Artikel verfasst, über Autoren und Autorinnen, vor allem aber über Kinder- und Jugendbuchverlage, hier allein 14 Beiträge, in die seine volle Erfahrung auf dem Buchmarkt einfließen konnte. Sein Wissen über Buchpreise und Juryarbeit hat er in viele kleinere Beiträge eingebracht.

Für Erstleser hat er mehrere Buchreihen herausgegeben, denn eines seiner Hauptanliegen sah der Pädagoge darin, „zum Lesen zu verlocken“. Auch wenn einer seiner Schwerpunkte im Sachbuchbereich lag, so war Ossowski auch im theologischen Bereich vielseitig tätig. Er verfasste verschiedene Beiträge und gab, zusammen mit anderen, die Bände Vom Menschenbild im Märchen (1980) und Gott im Märchen (1982) heraus. Sein gestalterisches Geschick verwirklichte er in den Legenden der Heiligen (1989), die er wirkungsvoll nacherzählte und die von Herbert Holzing, ebenfalls einem Mitglied der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur, eindrucksvoll illustriert wurden.

 

3 Würdigung

Das Vorwort zu den Legenden der Heiligen beginnt Herbert Ossowski mit einer prägnanten Feststellung:

In diesem Buch findet man viele Geschichten, von denen einige schon sehr alt sind: fast zweitausend Jahre alt! Diese Geschichten erzählen uns von Menschen jeden Alters – auch von Kindern und Jugendlichen –, die sich in ganz schwierigen, oft lebensbedrohenden Situationen bewähren mußten.

Hier lässt sich durchaus auch an den Menschen Ossowski und dessen manchmal steinigen Lebensweg denken, den er bewältigt und auf dem er sich auf so vielfältige Weise bewährt hat. Herbert Ossowski war ein äußerst engagierter Pädagoge, wobei fachlich sein Schwerpunkt im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur lag. Wie kaum ein anderer hat er es verstanden, über Jahrzehnte hinweg seine praktische Arbeit als Lehrer, Lehrerausbilder und Seminarleiter in seine vielseitigen Tätigkeiten als Autor, Herausgeber, Rezensent mit unterschiedlichsten Aktivitäten auf verschiedenen kirchlichen und gewerkschaftlichen Feldern in Einklang zu bringen. Sein fruchtbares Wirken begann schon in seiner Zeit als Junglehrer und setzte sich bis zu seinem Tod fort. Durch seine Zugehörigkeit zu verschiedenen Institutionen und Gremien und seine durchgehende Jurorentätigkeit hatte er jeweils besten Einblick in die neueste Kinder- und Jugendbuchproduktion. Immer verstand er es, auch zwischen ideologisch konträren Fronten zu vermitteln und gemeinsame Lösungen zu finden. Allein sein Wirken für die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendliteratur ist kaum hoch genug einzuschätzen, denn Ossowski war nicht nur Mitbegründer dieser Institution, sondern auch in verschiedenen Funktionen über Jahrzehnte für sie tätig, und zwar von 1976 bis zu seinem Tod 2010. Für seine immensen Verdienste wurde er 1995 mit dem Volkacher Taler ausgezeichnet. Schon 1992 war dem unermüdlich ehrenamtlich Tätigen das Bundesverdienstkreuz verliehen worden.

 

Literatur

Primärliteratur (Auswahl)

  • Das Siegel des Geistes. Katechesen für den Empfang der heiligen Firmung. Münster: Regensberg 1970.
  • Geschichten und Gedichte. Zusätzliche Lesetexte für den Erstunterricht. Münster: Aschendorff 1972.
  • und Schölling, Josef (Hrsg.): Lesebuch Windrose. Klassen 2 bis 8. Münster: Aschendorff 1973 ff.
  • und Schölling, Josef: Lehrerhandreichungen zum Lesebuch Windrose, Klassen 2 bis 8. Münster: Aschendorff 1974 ff.
  • und Janning, Jürgen/Gehrts, Heino (Hrsg.): Vom Menschenbild im Märchen. Kassel: Erich Röth 1980.
  • und Janning, Jürgen/Gehrts, Heino/Thyen, Dietrich (Hrsg.): Gott im Märchen. Kassel: Erich Röth 1982.
  • und Conrady, Peter (Hrsg.): Erstlesebuch. Taschenbücher für die Klassen 1 u. 2. Würzburg: Arena 1982 ff.
  • und Conrady, Peter (Hrsg.): LiLaLeseratz. Taschenbücher für die Klassen 3 u. 4. Würzburg: Arena 1982 ff.
  • und Conrady, Peter (Hrsg.): Zum Lesen verlocken. Kinderbücher für die Klassen 1-4. Würzburg: Arena 1985 (mit Eigenbeiträgen: Elisabeth Heck: Der junge Drache; Boy Lornsen: Williwitt und der große Sturm; Elisabeth Stiemert: Spaß im Zirkus Tamtini; Katherine Allfrey: Achim winkt den Zügen zu; Hans Baumann: Pony Purr macht große Sprünge; Klaus Kordon: Das Fünfmarkstück; Detlev Meißner: Das Papageienviertel).
  • und Conrady, Peter (Hrsg.): LeseProfi. Taschenbuchreihe für die Klassen ab 4. Würzburg: Arena 1985 ff.
  • (Hrsg.): Lies mir doch was vor! Minuten-Geschichten zum Vorlesen. München: dtv 1986.
  • (Hrsg.): Am warmen Ofen. Geschichten zur Winterzeit. Düsseldorf: Patmos 1988.
  • (Hrsg.): Unter dem Sonnenschirm. Geschichten zur Sommerzeit. Düsseldorf: Patmos 1989.
  • (Hrsg.): Der Weg ins Unbekannte. Begegnungen mit Heinrich Pleticha. Eine Festschrift zum 70. Geburtstag. Würzburg: Arena 1984.
  • (Hrsg.): Lesen ist wie Fliegen. Der Schriftsteller Willi Fährmann. Zum 60. Geburtstag. Würzburg: Arena/Echter 1989.
  • Legenden der Heiligen. Nacherzählt. Ill. v. Herbert Holzing. Recklinghausen: Georg Bitter 1989.
  • und Schulz, Gudrun (Hrsg.): Lernen als genussvolles Aneignen der Künste. Einblicke in die Didaktik der Kinderliteratur. (Mit Eigenbeitrag: Sachen, Spielen und Gefühle: Zur Didaktik der Vorschulerziehung). Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren 1997.
  • Sachbilderbücher: Von Bildern, die Wissen schaffen. In: Kurt Franz/Günter Lange (Hrsg.): Bilderwelten – Vom Bildzeichen zur CD-ROM. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren 2000, S. 51-68.
  • Interkulturelle (und interreligiöse) Erziehung durch Kinder- und Jugendbücher. In: Kurt Franz/Günter Lange/Franz-Josef Payrhuber (Hrsg.): Kinder- und Jugendliteratur zur Jahrtausendwende. Autoren, Themen, Vermittlung. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren 2000, S. 175-195.
  • Das feuerrote Segel (4. Schuljahr). In: Monika Born (Hrsg.): Entdeckungsreisen. Kinderbücher von Willi Fährmann als Klassenlektüre. Würzburg: Arena 2002, S. 78-92.

Sekundärliteratur

  • Franz, Kurt: Ein Muster an Zuverlässigkeit. Am 6. Dezember 2010 verstarb der Pädagoge, Autor und Herausgeber Herbert Ossowski. Ein Nachruf. In: JuLit 37 (2011), H. 1, S. 71-72.
  • Pleticha, Heinrich: Herbert Ossowski. In: Kurt Franz et al. (Hrsg.): Kinder- und Jugendliteratur. Ein Lexikon. Meitingen: Corian 2012, S. 1-7.