Oswald Watzke

Prof. Dr. phil.
geboren am 5.1.1935 in Habstein/Sudetenland
Universitätsprofessor, Fachbuchautor

Prof. Dr. Dr. Kurt Franz
veröffentlicht am 06.05.2022

 

1 Biogramm

Oswald Watzke wurde am 5. Januar 1935 als siebtes von acht Kindern des Landwirtsehepaars Rudolf und Aurelia Watzke in Habstein, Kreis Böhmisch Leipa (Nordböhmen), geboren. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Familie Anfang August 1945 von ihrem Hof vertrieben und kam nach einem leidvollen Aufenthalt in einem Sammellager im März 1946 nach Mittelfranken, in den Landkreis Rothenburg ob der Tauber.

Nach Abschluss der Volksschule besuchte Oswald Watzke das Deutsche Gymnasium Eichstätt (vormals Lehrerbildungsanstalt), wo er 1956 das Abitur ablegte. Das erste Staatsexamen für das Lehramt an Volksschulen legte er 1958 am Institut für Lehrerbildung in Würzburg ab, das zweite 1961 als Einklasslehrer in Buch, Landkreis Ochsenfurt. Bereits 1964 wurde er als Lehrer, zuständig für die Schulpraktika, an die Pädagogische Hochschule Würzburg abgeordnet. Parallel dazu nahm er an der Universität Würzburg das Studium der Fächer Pädagogik, Germanistik und Psychologie auf, war ab 1966 wissenschaftlicher Assistent für Didaktik des Deutschunterrichts und beendete sein Studium mit der Promotion, wobei er in seiner Dissertation die Arbeitswelt im Lesebuch untersucht hatte. Nach einer Dozentur in Vechta wurde er schon 1973 Professor an der Pädagogischen Hochschule Reutlingen, mit dem Schwerpunkt Sprachunterricht. 1976 wurde er auf eine H4-Professur an die Pädagogische Hochschule Kiel, später Erziehungswissenschaftliche Fakultät der Universität Kiel, berufen. Hier waren seine Schwerpunkte Methodik und Literaturunterricht. An Watzkes beruflichem Werdegang lässt sich ganz deutlich die Entwicklung der Lehrerbildung im 20. Jahrhundert ablesen, nämlich von der oberschulmäßigen Lehrerbildungsanstalt bis hin zum akademischen Studium an der Universität. Entsprechend ist auch seine berufliche Laufbahn zu sehen, vom Volksschullehrer an einer Einklassschule zum Hochschulprofessor an einer Universität, eine Laufbahn, die auch andere Kolleginnen und Kollegen in dieser Zeit aufweisen. Nach schweren Erkrankungen musste Watzke bereits 1995 seine berufliche Laufbahn als ordentlicher Professor beenden und in den vorzeitigen Ruhestand treten, aber sich auch aus der Öffentlichkeit und aus der Mitarbeit in der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur zurückziehen.

Oswald Watzkes Lebensmittelpunkt und zweite Heimat ist Würzburg. Er ist mit einer Lehrerin verheiratet und hat eine Tochter und zwei Söhne.

 

2 Werke

Die Publikationen Oswald Watzkes sind zahlreich und vielseitig, aber immer war didaktische Praktikabilität sein oberstes Anliegen. Das haben viele kompetente Gewährsleute betont, nicht nur Otfried Preußler, Kerstin Boie, Alfred Schweiggert oder Paul Maar, sondern auch Heinrich Pleticha, der anlässlich des 60. Geburtstages im „Volkacher Boten“ (Nr. 54, 1995) schreibt:

Oswald Watzke befaßt sich vor allem mit didaktischen und methodischen Fragen des Deutschunterrichts an Grund- und Hauptschulen […]. In der Schulpraxis sind besonders geschätzt die Veröffentlichungen über ein „Zwölf-Punkte-Programm seiner Literaturdidaktik“ und über die „Gedichte-Werkstatt“. Seine Stärke liegt in der engen Verbindung zur pädagogischen Praxis.

Die mit seinem Sohn Harald konzipierte Gedichte-Werkstatt basiert auf vier Merkmalen: 1. Der „Werkstoff“ ist die poetische Sprache mit ihren lyrischen Elementen in ihrer gesamten Textsortenvielfalt. 2. Das „Werkzeug“ besteht – ideell betrachtet – aus dem Wissen über Lyrik, das angewandt wird, aus Fantasie und Sprachsensibilität und – materiell gesehen – aus dem selbst hergestellten Bastelmaterial (Reimkärtchen, Musizieren, Melodie erfinden, Rappen, Wortschatz, Verszeilen, Clusterbildungen, Wortkärtchen, „Fenster“ auf dem Computerbildschirm u.a.), mit dem hantiert wird. 3. Die „Werkmethode“ ist in besonders ausgeprägter Form handlungsorientiert, produktionsorientiert, kreativ, innovativ, experimentell, prozessorientiert, offen und frei. 4. Das „Werkprodukt“ ist zum einen das durch Lesen, Sprechen, Vortragen, Spielen, Tanzen, Verfilmen und Inszenieren wiederhergestellte (reproduzierte bzw. veränderte und eigenproduzierte) Gedicht, zum anderen durch Kombinieren und Montieren neu geschaffene Gedicht, nach dem Motto „Gedichte selber schreiben“ (vgl. Watzke 2021 u.a., S. 7–8).

Oswald Watzke gab Lese- und Sprachbücher (mit Lehrerhandbüchern) für Grund-, Haupt- und Mittelschulen heraus, verfasste Lehrbücher, u.a. Der Rechtschreibunterricht (mit Wilhelm Strank), Wege zum Kinder- und Jugendbuch (mit Alfred C. Baumgärtner), Gedichte für die Sekundarstufe in drei Bänden (mit Klaus C. Haase), Sagen in der Grundschule und Sagen in der Sekundarstufe (mit Harald Watzke), mehrere Unterrichtshilfen, u.a. über Kindergedichte, Märchen, Legenden, Schwänke, Fabeln, Kurz-, Sach- und Lachgeschichten, Kinderbücher, Comics und zahlreiche Beiträge für Fach- und Lehrerzeitschriften. Die textsortenorientierten und auf einzelne Jahrgänge bezogenen Stundenbilder waren besonders nützlich, da sie mit ihren methodischen Skizzen und Kopiervorlagen unmittelbare unterrichtspraktische Hilfen boten.

In seinem mit Alfred C. Baumgärtner verfassten Buch Wege zum Kinder- und Jugendbuch, das in mehreren Auflagen und Nachdrucken erschien, und in seinen zahlreichen literaturdidaktischen, -methodischen und schulpraktischen Artikeln hat Watzke wertvolle Anregungen gegeben für einen kindgemäßen, textadäquaten, handlungs- und produktionsorientierten und kreativen Literaturunterricht sowie für einen freien Umgang mit Kinderliteratur in der Schule wie auch in der Freizeit. Viele Begriffe sind mit seinem Namen verbunden, wie z.B. Lese-Ecke, Lese-Tagebuch, Autorenbrief, -lesung und -besuch, Lese-Spiel, Lese-Nacht, Lese-Fest, Schul-Bücherwerkstatt, Gedichte-Werkstatt, Unterrichtsgänge in Büchereien und Bibliotheken, denn über solche methodischen Wege sollten die  Schülerinnen und Schüler an ein literarisches Grundwissen herangeführt werden.

In der Paed-Beilage der Zeitschrift „Christ und Bildung“ hat Watzke – auch mit seinem Sohn Harald – jeweils zu bestimmten Denkanlässen, Geburts- und Todestagen, Artikel über bekannte Autoren und Autorinnen der Kinder- und Jugendliteratur veröffentlicht, etwa zu Paul Maar, Kirsten Boie, Alfons Schweiggert, Jutta Richter, Erich Jooß, James Krüss und Otfried Preußler, denn die Kontaktpflege mit ihnen war ihm eine besondere Herzensangelegenheit.

In jüngerer Zeit befasst sich Watzke mit der Bearbeitung der Neuauflagen etlicher Buchtitel und Unterrichtshilfen, aber vor allem auch mit der volkstümlichen Literatur seiner sudetendeutschen Heimat. So sammelt er Heimatsagen (Burgen-, Schatz-, Teufels-, Pestsagen), veröffentlicht und kommentiert sie in den „Heimatnachrichten“, z.B. Texte zu Stoff und Motiv vom Rattenfänger (70. Jg., Folge 2, 2020, S. 10–16) oder zu berühmten Sagengestalten als beliebte Faschingsfiguren (9. Teil, 71. Jg., Folge 1, 2021, S. 14–22). Damit leistet er Wesentliches für eine Erinnerungskultur, was auch für seine Beiträge zur „Vertreibungsliteratur“ gilt, etwa wenn er den Jugendroman Schicksal eines Kindes im Krieg von Emil Karl Stöhr als Schullektüre aufbereitet (69. Jg., Folge 5, 2019, S. 18–24).

 

3 Würdigung

Oswald Watzke hat immer starke Verbindung zu seiner alten Heimat gehalten, wie nicht nur die genannten Veröffentlichungen zeigen. Er ist auch Mitglied der Sudetendeutschen Landsmannschaft, der Ackermanngemeinde und der Arbeitsgemeinschaft Sudetendeutsche Lehrer. Sein gesamtes Wirken und seine Veröffentlichungen zeugen von seiner genuinen Berufung als Lehrer, dem immer die bestmögliche theoretische und praktische Ausbildung seiner Lehramtsstudierenden größtes Anliegen war. Seine zahlreichen unterrichtspraktischen Veröffentlichungen, ob in Form von Lesebüchern oder didaktisch-methodischen Anleitungen, die meist in mehreren Auflagen erschienen, legen Zeugnis davon ab. So konnte er sich bei jüngeren Lehrkräften (in der zweiten Phase der Lehrerbildung) und auch bei älteren Lehrkräften (in der dritten Phase, in der Lehrerfortbildung) einen guten Namen erwerben. Mit seiner Hilfe haben einige Lehramtsgenerationen bis heute den richtigen Zugang zu ihrem Beruf gefunden.

Seit Gründung 1976 gehörte Oswald Watzke auch der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteatur an, zunächst als korrespondierendes, seit 1985 als ordentliches Mitglied. Als Fachmann der Kinder- und Jugendliteratur, besonders der Lyrik und der volkstümlichen Erzählformen, aber auch des Jugendbuches, war er immer bereit, aktiv und beratend mitzuwirken, ob bei der Buchauswahl oder bei Veranstaltungen. Seine schweren Krankheiten – vor allem war er auch am Sprechen gehindert – zwangen ihn, ab 1995 die Geschicke der Akademie aus der Ferne zu begleiten. Trotzdem konnte er sein fruchtbares publizistisches Wirken weiterhin fortsetzen.

 

Literatur

Primärliteratur (Auswahl)

  • Die Arbeitswelt im Lesebuch. 2. Aufl. Bad Heilbrunn: Klinkhardt 1973 (Diss.).
  • Der Literaturunterricht in der Grundschule. Eine Einführung in Beispielen. München: List 1968.
  • Rechtschreibunterricht in der Grund- und Hauptschule. München: List 1969.
  • Umgang mit Texten in der Grundschule. 3. Aufl. München: List 1979.
  • Umgang mit Texten in der Hauptschule. 2. Aufl. München: List 1979.
  • (Hrsg.): Auer Lesebücher für die Hauptschule (in 5 Bänden, mit Länderausgaben u. Kommentaren). Donauwörth: Auer 1980 ff.
  • (Hrsg.): Auer Lesebücher für die Grundschule (in 3 Bänden, mit Länderausgaben u. Kommentaren). Donauwörth: Auer 1982 ff.
  • (mit Alfred C. Baumgärtner): Wege zum Kinder- und Jugendbuch. 2. Aufl. Donauwörth: Auer 1985.
  • (mit Wilhelm Strank): Der Rechtschreibunterricht in der Grundschule. Donauwörth: Auer 1985.
  • (Hrsg.): Auer Sprachbücher für die Grundschule (in 3 Bänden mit Länderausgabe u. Kommentaren). Donauwörth: Auer 1989 ff.
  • (mit Klaus C. Haase): Gedichte für die Sekundarstufe. 3 Bde, Donauwörth: Auer 1995 ff.
  • (mit Harald Watzke): Sagen in der Grundschule. 4. Aufl. Friedberg: BRIGG 2021.
  • (mit Harald Watzke): Sagen in der Sekundarstufe. 3. Aufl. Friedberg: BRIGG 2020.
  • (mit Harald Watzke): Gedichte in der Grundschule. 3 Bde. 4. Aufl. Friedberg: BRIGG 202l.

Sekundärliteratur

  • Baumgärtner, Alfred C.: Oswald Watzke, ein Literaturmethodiker. In: Who is Who. Bd. 3, S. 1136.
  • Pleticha, Heinrich: Oswald Watzke wurde 75. In: Volkacher Bote 98 (2010), S. 25.
  • Schneider, Heribert: Oswald Watzke, ein Fünfundachtziger. In: Heimatnachrichten 1 (2020), S. 22.