Nina Weger

geboren am 23. November 1970 in Hofgeismar
Schriftstellerin im Bereich der Kinderliteratur

Dr. Jana Mikota
veröffentlicht am 04.01.2023

 

1 Biogramm

Nina Weger wurde 1970 geboren und ist in Loccum, einem kleinen Örtchen am Steinhuder Meer in der Nähe von Hannover, aufgewachsen.* Sie ist das älteste Kind von insgesamt vier Geschwistern. Da ihr Vater neben seinem Beruf als Pastor auch als Gründer eines Kinderzirkus tätig war, durfte sie schon als 13-jähriges Mädchen regelmäßig im Zirkus auftreten. Nach dem Abitur war Weger zunächst eine Saison lang als Seiltänzerin beim Circus Belly tätig, mit dem sie in einem Wohnwagen auf Reisen ging. Danach besuchte sie in den Jahren 1989–1991 eine Journalistenschule und arbeitete als Redakteurin, Regieassistentin und Juniorproducerin. 1997 machte sich Weger dann als Drehbuchautorin selbständig. Im Jahre 1998 produzierte und inszenierte sie mit Nina Bohlmann und einem internationalen Team aus Artisten, Musikern und Schauspielern das Märchen Die Schneekönigin von Hans-Christian Andersen in der Orangerie Hannover. Sie lebt gegenwärtig mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern als freie Autorin in Hannover und schreibt auch Drehbücher für bekannte Fernsehserien (u. a. für Alles über Anna, Edel und Starck und Notruf Hafenkante). Nebenbei leitet Weger seit 2005 mit einer Freundin ehrenamtlich den Kinderzirkus Giovanni (www.kinderzirkus-giovanni.de), der im Jahre 2007 mit dem Deutschen Kinderpreis ausgezeichnet wurde (vgl. hierzu auch Mikota/Oehme/Schmidt 2021).

 

2 Überblick über das Gesamtwerk

Weger gehört zu den spannendsten Stimmen der gegenwärtigen Kinderliteratur, denn ihr literarisches Œuvre vielfältig ist. Sie betritt 2012 mit dem Kinderroman Helden wie Opa und ich die literarische Welt, bis 2022 sind 13 Kinderromane für Leserinnen und Leser bis zu ihrem 12. Lebensjahr erschienen.

In ihrem Werk vereint sie, was typisch für die aktuelle literarisch gelungene Kinder- und Jugendliteratur ist, ästhetische Qualität mit kindlichem Lesevergnügen sowie komischen Elementen. Trotz einer kindgerechten Portion Humor und einer für Weger typisch flotten Erzählweise tauchen ‚sensible‘ Dimensionen in ihrem literarischen Œuvre immer wieder auf. Ihre Kinderbücher ordnen sich in eine kinderliterarische Tendenz ein, die vielfältigen und komplexen Notlagen, Sorgen, Bedrängnisse sowie Daseinsschwierigkeiten unserer Lebenswelt ohne (allzu strengen und auffälligen) moralischen Zeigefinger kindgerecht zu behandeln und diese mit einer gelasseneren literarischen Machart untrennbar zu verknüpfen, die häufig auch mit Darstellungsmitteln der Komik arbeitet. In ihren Werken stehen familiäre Schwierigkeiten im Vordergrund, erzählt wird von Auswirkungen auf das Innenleben der kindlichen Akteure. Weger entwirft jedoch nicht nur unterschiedliche Eltern-Kind-Konstellationen, sondern zeigt auch die Großelterngeneration und ihr Verhältnis zu ihren Kindern und Enkelinnen sowie Enkeln. In ihren Kinderromanen zeigt sich Weger als genaue Beobachterin der kindlichen Alltagswelt aus, lässt kindlichen Figuren viel Freiraum und die Eltern agieren im Hintergrund. Die Familien stammen aus dem bürgerlichen und intellektuellen Umfeld. Dabei zeigt Weger für den Kinderroman klassische Sorgen und Probleme der Kinder, etwa der Wunsch nach einem Haustier (Helden wie Opa und ich, 2012) oder nach Freunden (Die sagenhafte Saubande, 2014) oder veränderte Familienmuster.

Der Schreibstil ist in Wegers Romanen durchaus anspruchsvoll. So traut sie den Kindern nicht nur auf thematisch-inhaltlicher Ebene einiges zu, sondern auch mit Blick speziell auf die sprachliche Dimension (vgl. Mikota/Oehme/Schmidt 2021). In den Rapido-Bänden erschafft sie eine Räubersprache, spielt u. a. mit Alliterationen, Vergleichen, Wortneuschöpfungen, Sinnsprüchen und Flüchen wie „Runkel-Rüben-Quatsch“, „[z]um Räuberrüpel noch mal!“ (Weger 2020, Bd. 1, S. 19). Besonders auffällig sind die sprechenden Namen, die einerseits dem Werk Lebendigkeit verleihen, andererseits aber die figürliche Eindimensionalität festigen.

Das Spiel mit Namen, aber auch intertextuelle Verweise prägen auch weitere Romane der Autorin, so heißt bspw. Pauls Stiefschwester in dem Kinderroman Ein Krokodil taucht ab und ich hinterher (2013) Elektra, wie jene in der griechischen Mythologie, die ihrem Bruder hilft, die Blutrache an ihrer Mutter und an ihrem Stiefvater zu planen und zu vollziehen. Der Name im Roman kann als Verweis gelesen werden, dass auch Elektra ihrem Bruder Paul helfen wird. Neben dem Spiel mit intertextuellen Verweisen, das allen Romanen von Nina Weger gemeinsam ist, sind es zudem auch die Figuren. Sie entwirft Außenseiterfiguren, die erst langsam Freundinnen und Freunde finden.

2.1 Vorlesebücher

Bisher sind drei Bände der Rapido-Serie (2020 f.) erschienen, die an jüngere Kinder adressiert ist. Es sind Räubergeschichten, die in der Tradition eines Otfried Preußlers stehen und dem mündlichen Erzählen verpflichtet sind. Im Mittelpunkt steht eine Räuberwelt, die im Geheimen in einem Wald angesiedelt ist. Im ersten Band Der kleine Räuber Rapido. Der riesengroße Räuberrabatz (2020) begegnet man Rapido, dessen Vater der Räuberhauptmann der Sippe ist. Rapido jedoch hadert mit dem Räuberdasein. Sein bester Freund ist ein sprechender Waschbär namens „Störenfried“. Ihn an die Seite gestellt wird das Räubermädchen Zap-Zerap, das mutig ist und im Gegensatz zu Rapido eine Räuberhauptfrau werden möchte. Mit Schurkan wird ein Junge eingeführt, der Rapidos Familie entthronen möchte. Die noch jungen Räuberkinder erhalten Aufgaben, die es zu lösen gilt. So soll auch die zukünftige Position als Räuberhauptmann geklärt werden. In jedem Band müssen Rapido, Zap-Zerap und Schurkan jeweils eine Aufgabe bewältigen.

Die Bände sind an jüngere Leserinnen und Leser adressiert, was sich in der Gestaltung widerspiegelt: Der Umfang beträgt 90 Seiten, erzählt wird einsträngig, Handlung und Orte sind überschaubar. Aber Weger schreibt nicht nur unterhaltende Räubergeschichten, sondern nimmt auch Fragen des Umwelt- sowie Naturschutzes in die Handlung auf.

2.2 Kinderromane

Der neunjährige Nick steht im Mittelpunkt des ersten Romans der Autorin, Helden wie Opa und ich, und bezeichnet sich selbst als „so ziemlich der normalste Junge, den man sich vorstellen kann“ (Weger 2012, S. 12). Aus seiner Sicht wird die Geschichte mit vielen humorvollen Einblicken in das Familienleben geschildert. Seiner Familie gehören die Lasar-Pralinenwerke und im Roman dominiert der Blick auf Wünsche, Erwartungen und Familienmuster. Während Nick sich nach einem Hund sehnt, überlegt, wie er seine Familie überzeugen könnte, belauscht er seinen Vater und erfährt, dass diese das Erbe, Direktor des Familienunternehmens zu werden, nicht antreten möchte. Nicks Mutter dagegen ist ehrgeizig, wünscht sich den Direktorposten und erfindet immer wieder neue Pralinen. Im Kreise der Familie, die sich zum runden Geburtstag des Geburtstages trifft, eskaliert schließlich die Situation und erst langsam schaffen es die Figuren eigene Wünsche zu artikulieren.

Bereits mit ihrem nächsten Roman Ein Krokodil taucht ab und (ich hinterher) (2013) wandelt sich der Blick auf Kindheit und Familie. Der zehnjährige Paul muss erleben, wie sich sein Vater erneut verliebt, die neue Frau und ihre Tochter in die gemeinsame Wohnung ziehen und das bisher freundschaftliche Zusammenleben stören. Als Pauls Mississippi-Alligator Orinoko das Klo heruntergespült wird, macht sich Paul auf die Suche und trifft in der städtischen Kanalisation eine Gruppe von Kindern, die sich in den Gängen ein neues Zuhause aufgebaut haben. Die Kinder leben hier teilweise seit Monaten, ihre Gemeinschaft ist geprägt durch Werte wie Toleranz und Respekt, ein demokratisches Miteinander charakterisiert die Gruppe. Diese ideale Form des Zusammenlebens nimmt nicht nur tradierte Muster der Kinderliteratur, erinnert in ihrer Darstellung auch an Gruppen der Robinsonaden, und bildet einen Gegenentwurf zu den Familien, aus denen die Kinder kommen. Nicht nur ein respektvoller Umgang ist wichtig, sondern auch die selbstständige Organisation ihres Alltags.

In ihren beiden Bänden Die sagenhafte Saubande. Bd. 1: Kommando Känguru (2014) und Die sagenhafte Saubande. Bd. 2: Polly in Not (2014) schreibt die Autorin temporeiche Kriminalgeschichten, in denen auch Tierfiguren ermitteln. Im Mittelpunkt steht der Junge Matheo, der die Sprache der Tiere versteht, sowie das Mädchen Pony, das gehbeeinträchtigt ist. Auch die tierischen Figuren werden mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet. Gemeinsam können sie im ersten Band ein entführtes Tier retten und die Gier der Menschen entlarven. Im zweiten Teil ist es Polly, die Hilfe benötigt. Sie wird verdächtigt, einem Mädchen eine Tollkirsche in ihr Pausenbrot gelegt zu haben. Dass Polly unschuldig ist, weiß die „sagenhafte Saubande“, muss es jedoch beweisen. Weger setzt sich in diesen Kriminalgeschichten mit Diversität auseinander, wählt unterschiedliche Differenzmarker und zeigt, wie sehr sie das Leben der Kinder prägen. Matheos Vater bspw. hat eine starke Tierhaarallergie, die Familie muss bereits vor der Haustür die Kleidung wechseln und Matheo bspw. traut sich nicht, andere Kinder einzuladen und fühlt sich einsam. Dank Polly, der Tiere und der spannenden Fälle wird Matheo selbstbewusster.

In ihrem Roman Trick 347 oder Der mutigste Junge der Welt (2015) erzählt Nina Weger von komplexen Familienverhältnissen. Im Mittelpunkt steht der Ich-Erzähler Tom, der mit seiner Mutter, einer Geologin, in München lebt. Seinen Vater kennt er nicht, die Mutter will ihn den Namen nicht nennen. Als sie ein Angebot bekommt, eine Forschungsexpedition zu leiten, zieht Tom zu seiner Großmutter, die nach dem Tod ihres Mannes einsam zu sein scheint. Tom hofft im Hause der Großmutter Hinweise auf seinen Vater zu finden. Die erste Spur führt ihn in einen Zirkus. Er nimmt dort das Training auf, freundet sich mit dem Jungen Coco an und kann schließlich herausbekommen, wer sein Vater ist. Auch in diesem Roman gelingt Weger der Spagat zwischen einer temporeichen /spannenden Handlung, komischen Elementen und einer Tiefgründigkeit, die sich insbesondere in der Suche nach Toms Vater zeigt.

Zwischen 2017 und 2019 erscheint mit Club der Heldinnen eine Internatsreihe, die in der Tradition klassischer Internatsserien wie Hanni und Nanni von Enid Blyton steht. In der vierbändigen Mädchenbuchreihe bettet sie kulturelle Vielfalt in die Handlung ein, denn im Internat begegnen sich Mädchen aus verschiedenen Nationen. Ihnen gemeinsam ist, dass sie besondere Fähigkeiten und Stärken haben. Die Mädchen Flo, Pina und Blanca lösen kleinere Kriminalfälle, konkurrieren mit den Jungen, die im benachbarten Dorf wohnen, und müssen sich auch mit eigenen Vorurteilen auseinandersetzen.

Wegers bislang letzter Roman Als mein Bruder ein Wal wurde (2019) ist auch der umfangreichste und setzt sich mit dem Themen Wachkoma und Sterbehilfe auseinander. Im Mittelpunkt steht Bela, dessen Bruder nach einem Unfall im Wachkoma liegt. Die Eltern sind verzweifelt, streiten auch wegen möglicher Sterbehilfe und Bela wird immer mehr vernachlässigt. Gemeinsam mit Martha, deren Mutter an Krebs verstorben ist, reist er heimlich nach Rom, um den Papst aufzusuchen. Sie möchten ihn fragen, ob sie das Leben von Julius erhalten sollen. Weger erzählt in ihrer Geschichte, die an die Tradition einer Road novel anknüpft, von zwei Kindern, die von Trauer und Wut gegenüber den Erwachsenen getrieben sind.

 

3 Rezeption

Bis auf den Band Nina Weger: „Kindern vertrauen und etwas zutrauen“ (2021), der in der Reihe Siegener Werkstattgespräche mit Kinderbuchautorinnen und -autoren erschienen ist und einen Überblick über das Werk der Autorin gibt, existiert weder eine literaturwissenschaftliche noch eine literaturdidaktische Forschung zu den Werken der Autorin. Auch in Überblicksartikeln wurden ihre Bücher bislang nicht wahrgenommen, was angesichts der thematischen Vielfalt der Texte sowie vor allem aufgrund des literarästhetischen Niveaus, auf dem sich die Bücher bewegen, verwundert. Lediglich in der Literaturkritik gibt es Rezensionen zu ihren literarischen Werken.

 

Literaturverzeichnis

Primärliteratur

  • Helden wie Opa und ich. Hamburg: Oetinger 2012.
  • Ein Krokodil taucht ab – und ich hinterher. Hamburg: Oetinger 2013.
  • Die sagenhafte Saubande. Kommando Känguru. Bd. 1. Hamburg: Oetinger 2014.
  • Die sagenhafte Saubande. Polly in Not. Bd. 2. Hamburg: Oetinger 2014.
  • Trick 347 oder Der mutigste Junge der Welt. Hamburg: Oetinger 2015.
  • Club der Heldinnen. Entführung im Internat. Bd. 1. Hamburg: Oetinger 2017.
  • Club der Heldinnen. Hochverrat im Internat. Bd. 2. Hamburg: Oetinger 2017.
  • Club der Heldinnen. Bärenalarm im Internat. Bd. 3. Hamburg: Oetinger 2018.
  • Club der Heldinnen. Weihnachten im Internat. Bd. 4. Hamburg: Oetinger 2019.
  • Als mein Bruder ein Wal wurde. Hamburg: Oetinger 2019.
  • Der kleine Räuber Rapido. Bd. 1: Der riesengroße Räuberrabatz. Hamburg: Oetinger 2020.
  • Der kleine Räuber Rapido. Bd. 2: Angriff der Sportskanonen. Hamburg: Oetinger 2020.
  • Der kleine Räuber Rapido. Bd. 3: Der schlimme Zahn. Hamburg: Oetinger 2021.

Hörbücher

  • Die sagenhafte Saubande. Kommissar Känguru. Gekürzte Ausgabe. Sprecher: Cathlen Gawlich, Stefan Kaminski. Hamburg: Oetinger Media 2014.
  • Helden wie Opa und ich. Gekürzte Ausgabe. Gesprochen von Jens Wawrczeck. Hamburg: Oetinger Media 2014.
  • Entführung im Internat. Club der Heldinnen. Gekürzte Ausgabe. Sprecher: Ilka Teichmüller. Hamburg: Oetinger Media 2017.
  • Buchtrailer zum Buch „Club der Heldinnen“, Band 1 (2017) [Stand: 02.05.2020].

Sekundär- und Forschungsliteratur / Internetquellen

  • Antolin-Interview mit Nina Weger (2015) [Stand: 02.06.2020].
  • Benkner, Linda: Was sagt die Krähe? Nina Weger sucht die entführte Kängurudame. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 237, 13.10.2014, S. 10.
  • Märk-Bürmann, Anke/Minnerup, Anne: Die Wortdompteuse. In: JuLit 3, 2019, S. 33-36.
  • Mikota, Jana/Oehme, Viola/Schmidt, Nadine J.: Nina Weger: „Kindern vertrauen und etwas zutrauen“. Siegen: universi – Universitätsverlag 2021 (Siegener Werkstattgespräche mit Kinderbuchautoren und-autorinnen).
  • Patra, Philippe: Interview mit Nina Weger (2017) [Stand: 02.06.2020].
  • Pressemappe zu Nina Weger [Stand: 29.05.2020].
  • Website Nina Weger [Stand: 12.05.2021].

 

Anmerkung

* Vgl. hierzu und im Folgenden v.a. die biographischen Angaben in:  Interview mit Weger (2015), die Homepage ihres Verlags (Stand: 12.05.2021) oder den Internetauftritt von Nina Weger (Stand: 12.05.2021).